Bewusst kommunizieren: Die 4 Ebenen der Kommunikation

“Tut mir leid, dass muss ich wohl falsch verstanden haben”
“Da haben wir uns anscheinend missverstanden”
“Das hast du offenbar falsch verstanden”

Wie oft haben Sie sich diese Sätze in Ihrem Leben bereits sagen hören? Wahrscheinlich schon einige Male, stimmt‘s?

Verbale und non-verbale Kommunikation

In unseren zwischenmenschlichen Beziehungen herrscht in der Regel immer eine Mischung aus verbaler und nonverbaler Kommunikation. Im Rahmen der verbalen Kommunikation nutzen wir Sprache, Zeichen und Schrift, um uns auszutauschen. Kommunizieren wir auf eine non-verbale Art, so tun wir dies beispielsweise durch unsere Körperhaltung, unseren Gesichtsausdruck oder eine bestimmte Tonlage in unserer Stimme. Die non-verbale Art zu kommunizieren ist oftmals subtiler und liefert somit einen größeren Interpretationsspielraum. Wir sind aufgefordert „zwischen den Zeilen“ zu lesen, was deutlich mehr Missverständnisse zur Folge haben kann.

Doch auch die direkte Form der Kommunikation durch eine explizite Äußerung wie eine Aussage, Textnachricht oder E-Mail führt erschreckend oft zu Auseinandersetzungen oder persönlichen Kränkungen.

Es stellt sich also die Frage:

Was macht unsere Kommunikation so kompliziert?

Unabhängig davon, ob wir verbal oder non-verbal mit unserer Umwelt kommunizieren – beides geschieht zu einem Großteil unbewusst. Die Herausforderung beider Kommunikationsformen liegt daher in unserer persönlichen Interpretation des gesagten Wortes oder des zu beobachtenden Verhaltens unseres jeweiligen Gegenübers.


Stellen Sie sich vor, Sie haben anlässlich Ihres Geburtstags das erste Mal einen Kuchen selbst gebacken und ein paar Freunde eingeladen . Während Sie die Kuchenstücke auf die Teller verteilen, sagt einer Ihrer Gäste:

„Nein danke, ich möchte kein Stück von dem Kuchen“

Was hören Sie?

Was glauben Sie, möchte Ihnen Ihr Gegenüber mit dieser Aussage mitteilen?

  1. Er/sie macht vielleicht gerade eine Diät.
  2. Er/Sie hat aktuell einfach keinen Hunger (auf Kuchen).
  3. Na toll! Er/Sie mag meinen Kuchen nicht!
  4. Mist! Ich hätte noch etwas anderes zu Essen anbieten sollen. Vielleicht etwas Herzhaftes. Es mag ja schließlich nicht jeder etwas Süßes.

Und? War ein Satz für Sie dabei, oder haben Sie etwas vollkommen anderes gehört?


Unsere persönliche Wahrnehmung entscheidet darüber, wie wir etwas verstehen

In Wahrheit gibt es kein reines Hören, wenn wir mit unseren Mitmenschen kommunizieren. Es gibt nur ein Verstehen. Das Außergewöhnliche beim Verstehen ist, dass es im Grunde kein Richtig- oder Falsch- Verstehen gibt. Jeder von uns versteht auf seine persönliche Art und Weise. Und das tut jeder von uns, indem er/sie interpretiert.

Demzufolge ist es uns nicht möglich eine Information universell wahrzunehmen. ALLES was wir in dieser Welt erfahren, nehmen wir IMMER durch unsere ganz persönliche Wahrnehmungsbrille wahr. Diese Wahrnehmungsbrille schließt sowohl all unsere entwickelten Denkmuster, sowie Prägungen durch Kultur, Gesellschaft, Erziehung als auch unsere bisherige Lebenserfahrung mit ein. All dies sorgt in erster Linie dafür, wie wir bestimmte Situationen, Gespräche und Konflikte einordnen. Dementsprechend ist es fast unmöglich etwas zu hören oder zu sehen, ohne es sofort nach unseren persönlichen Maßstäben zu interpretieren.

Wir sind so sehr von all unseren vergangenen Erfahrungen, Glaubenssätzen und Konditionierungen beeinflusst, dass wir zunehmend die Fähigkeit verloren haben, Dinge wertfrei zu beobachten und zu beschreiben, bevor wir diese mit unserer Interpretation versehen.

Im Grunde können wir daher niemals zu einer absolut objektiven Wahrnehmung oder Wahrheit gelangen.


“Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist”

-Paul Watzlawick-


Wenn Sie etwas sehen oder hören, bestimmen Sie ganz allein, was Sie wahrnehmen. Innerhalb weniger Sekunden wissen Sie, ob Sie ein bestimmtes Verhalten Ihrer Mitmenschen als unverschämt oder mutig beurteilen, ob Sie einen Blick als freundlich oder abweisend einordnen oder ob Sie sie eine kritische Aussage als konstruktiven Input oder als persönliche Beleidigung auffassen. Das alles geschieht vollkommen unabhängig von der Tatsache, ob Ihr Gegenüber mit seinen Worten oder seinem Verhalten auch genau das beabsichtigt hat, was Sie wahrnehmen. So passiert es nicht selten, dass wir etwas aus einer netten Absicht heraus sagen, die gesagten Worte von unserem Gesprächspartner aber völlig anders aufgefasst werden. Dann finden wir uns plötzlich in einem kommunikativen Wirrwarr aus Erklärungs- und Rechtfertigungsversuchen wieder. Dieses Paradoxon entspricht dem Satz: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht! Im Grunde ist unsere persönliche Erfahrung kein Wahrnehmen, sondern ein Wahrgeben. Wir geben allem was wir erfahren eine Bedeutung, anstelle diese daraus zu nehmen.

Die 4 Ebenen der Kommunikation: Das 4 Ohren Modell

Der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat in diesem Zusammenhang ein hilfreiches Kommunikationsmodell entwickelt, das unter dem Namen „Vier Seiten Modell“, „4 Ohren Modell“ oder auch „Kommunikationsquadrat“ bekannt ist.

Das Modell beschreibt, dass wir Inhalte immer auf  vier unterschiedlichen Ebenen senden (sagen) und empfangen (hören/verstehen) können.

Die 4 Ebenen sind:

  • Die Sachebene (über was unterhalten wir uns gerade? Was ist das Thema/der Inhalt unseres Gesprächs?)
  • Die Beziehungsebene (wie beeinflusst die Beziehung, die ich zu meinen Gesprächspartner:innen habe, das Gespräch?)
  • Die Selbstoffenbarungsebene (was sagen ich und mein Gesprächspartner:innen in unserem Gespräch eigentlich über uns selbst aus?)
  • Die Appellebene (was will mein(e) Gesprächspartner:in von mir? Was soll ich konkret tun?)
Das 4 Ohren Modell
Das „4 Ohren Modell“ von Friedemann Schulz von Thun

Der Grund, warum es so häufig zu interpersonellen Konflikten und Missverständnissen kommt, ist, dass wir etwas nicht auf derselben Ebene verstehen, auf der es gesagt wurde. Die Ebenen von Sender und Empfänger stimmen einfach nicht überein.

Um Missverständnisse zu vermeiden, gilt es daher zu prüfen, auf welchem der vier Ohren wir das Gesagte gehört und eingeordnet haben. Zusätzlich empfiehlt es sich, bei unserem Gegenüber nachzufragen wie es seine Aussage gemeint hat, anstatt die eigene Interpretation

4 Ohren Modell: Beispiel 

Um Ihnen die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Kommunikation zu verdeutlichen, möchte ich an dieser Stelle gerne mein persönliches Lieblingsbeispiel mit Ihnen teilen.

Eine Frau fragt ihren Ehemann nach einem gemeinsamen, dreiwöchigen All-Inclusive Urlaub:
„Schatz, findest du, ich habe während des Urlaubs zugenommen?“

Der Mann schaut die Frau an, zuckt mit den Schultern und sagt:
„Stell dich doch auf die Waage, dann weißt du es.“

Ich lade Sie ein, für sich zu überlegen, was die Frau mit ihrer Frage beabsichtigt haben könnte. Was glauben Sie wollte sie von ihrem Ehemann hören? War Sie mit seiner Antwort „zufrieden“? Ebenso können Sie sich überlegen, wie der Mann die Frage seiner Frau eingeordnet hat und weshalb er seine Antwort gewählt hat.

Zu welchen Erkenntnissen kommen Sie? 🙂

Die Grundlage für gelingende Kommunikation: Sich selbst verstehen!

Fakt ist: Es handelt sich bei unserer zwischenmenschlichen Kommunikation um ein komplexes Konstrukt, das insbesondere bei der Betrachtung von Spannungen und Konflikten in Beziehungen niemals außer Acht gelassen werden kann. Sobald wir mit anderen Menschen kommunizieren entsteht Raum für Begegnung. Wie sich diese Begegnung gestaltet, hängt maßgeblich davon ab, ob und inwieweit wir in der Lage sind, unsere eigenen Bedürfnisse, Trigger und Projektionen zu erkennen, zu verstehen und Verantwortung für diese zu übernehmen. Wenn es uns gelingt, im ersten Schritt auf uns selbst zu schauen und zu prüfen, in welchem Kontext wir vermehrt Schwierigkeiten in de Kommunikation haben, können wir uns im nächsten Schritt mit unseren Überzeugungen und unserem persönlichen Werte- und Bewertungssystem auseinandersetzen. Wir können schauen, welche Aussagen oder Verhaltensweisen bei uns emotional empfindsame Reaktionen hervorrufen und die Ursachen dafür bearbeiten. Wenn jede(r) von uns beginnen würde, sich mehr für sich selbst zu interessieren, sich liebevoll um sich zu kümmern und die eigenen Bedürfnisse zu versorgen, müssten diese Aufgaben nicht mehr an Beziehungspartner:innen, Freund:innen oder Familienangehörige ausgelagert werden.

Das 4 Ohren Modell stellt daher lediglich einen Einstieg in das Thema dar und soll zu mehr Eigenreflexion und Achtsamkeit in der eigenen Kommunikation anregen.

“Was andere sagen oder tun, mag ein Auslöser für unsere Gefühle sein, ist aber nicht ihre Ursache”

-Marshall B. Rosenberg-

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